Freitag, 16. Dezember 2005
Traurige Weihnachten
Traurige Weihnachten
© Heinz Bornemann/Hamburg
Wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit, emsiges Treiben in der Stadt. Ein Geschiebe und Gedränge, als gäbe es jedes Geschenk nur einmal zu kaufen. Kaum ein Blick für den Musiker, der mit steif gefrorenen Fingern versucht, seiner Geige das Lied vom immer grünen Tannenbaum zu entlocken. Nur die Nase atmet in der eisigen Luft den Duft von Lebkuchen und Bratwürsten.
Oma Schulz braucht noch ein Geschenk für ihren Enkel. Sie bindet ihrem schon recht alten Hund die Leine um, denn allein mag er nicht bleiben und fährt mit ihm im überfüllten Bus in die Innenstadt.
"Wäre ich doch nur zu hause geblieben" stöhnt sie, als sie die Menschenmassen sieht. Der Hund hat natürlich die Bratwurst auch gerochen, aber typisch, dafür hat sein Frauchen keine Nase. Sie boxt sich regelrecht durch die Massen, der kleine Kerl weiß gar nicht, wie er die vielen Beine umlaufen soll. Sein Herz rast schon heftig, man ist nicht mehr der jüngste. Endlich haben beide ihr Ziel erreicht und wie ein Wunder hat sogar ein Verkäufer im überfüllten Laden Zeit für sie. "Da haben sie Glück," meint der junge Mann, "dies war der letzte Kopfhörer", er streichelt lächelnd den Hund, "bitte bezahlen sie an der Kasse, frohe Feiertage". "So ein netter Mensch", denkt Oma Schulz, "komm mein Kleiner, wir haben es bald geschafft". An der langen Schlange vor der Kasse geht es nur langsam voran, aber endlich kann man das muffig warme Klima des Ladens verlassen und draußen tüchtig durchatmen. Schnell, jetzt versuchen wir noch einen Platz im Bus zu ergattern.
"Komm, nicht so langsam", ruft Oma Schulz ihrem Hund zu, da merkt sie entsetzt, dass es für ihn wohl zuviel Stress war. Er liegt friedlich auf der Seite, sein schwaches Herz hat aufgehört zu schlagen. Völlig verzweifelt ruft sie unter Tränen um Hilfe, doch die Menschen hasten achtlos an ihr vorbei. So nimmt sie langsam ihren kleinen Hund auf den Arm, während der Bus gerade an der Haltestelle eintrifft. "So kann ich sie nicht mitnehmen, das Befördern von toten Tieren ist mir nicht gestattet", brummelt unfreundlich der Busfahrer. Selbst der Protest der anderen Fahrgäste kann ihn nicht umstimmen. Die Bustür schließt sich mit einem Zischen und in der Spiegelung der vorbeirauschenden Fenster sieht man die Umrisse der entsetzten Frau. "Was mache ich nur?"
Da fällt Oma Schulz der nette Verkäufer ein und eilt zurück in den Laden. Tatsächlich entdeckt sie ihn gleich im Gewühl. "Nanu, haben sie etwas vergessen?" meint er gleich freundlich und erschrickt doch sehr, als er von ihrem Missgeschick hört. "Passen sie auf gute Frau, ich hole ihnen einen leeren Radiokarton, darin legen wir ihren Hund und sie haben mit dem Busfahrer keine Probleme mehr". Oma Schulz nickt nur, sie erlebt alles nur wie in Trance. Gesagt getan, den Hund gut verpackt im Radiokarton verlässt sie erneut das Geschäft und stellt sich an die Bushaltestelle. Die Welt ist auch in der Großstadt klein und so trifft sie ihre Nachbarin. "Stellen sie sich vor was mir passiert ist". Man ist zu Recht empört und vergisst für einen Moment das turbulente Treiben um sich herum.
"Da kommt unser Bus" Oma Schulz will den Radiokarton hochnehmen, greift ins Leere und bekommt den nächsten Schreck. Sie sieht gerade noch, wie ein junger Mann mit ihm eilig im Gewühl verschwindet. "Das darf doch nicht wahr sein". Wer würde nicht gerne das entsetzte Gesicht des Gauners sehen, wenn er den Karton öffnet. Vielleicht war es ja ein heilsamer Schock für ihn. Das ist natürlich kein Trost für Oma Schulz, die ohne ihren kleinen Hund einsame und traurige Weihnachtstage erleben wird.
© Heinz Bornemann/Hamburg
"I think dogs are the most amazing creatures; they give unconditional love. For me they are the role model for being alive."
- Gilda Radner
Donnerstag, 15. Dezember 2005
Das alte Jahr
Das alte Jahr ...
Das alte Jahr schließt seine Pforten
man dreht sich um und schaut zurück,
ob es gut oder schlecht geworden,
man sieht es nun auf einen Blick.
Was uns das alte Jahr bescherte,
gerät bald in Vergessenheit.
Nur was der Erinnerung wert,
bewahrt das Herz noch lange Zeit,
So ist das Leben eine Schnur,
gereiht aus bunten Lebensjahren,
sie hinterlassen ihre Spur
durch das Erleben, das Erfahren!
Marie Luise Bald
Mittwoch, 14. Dezember 2005
Einsam am Heiligen Abend
Einsam am Heiligen Abend
Herman Bang (1857-1912)
Jedesmal wenn Weihnachten kommt, muss ich an Herrn Sörensen denken. Er war der erste Mensch in meinem Leben, der ein einsames Weihnachtsfest feierte, und das habe ich nie vergessen können.
Herr Sörensen war mein Lehrer in der ersten Klasse. Er war gut. Im Winter bröselte er sein ganzes Frühstücksbrot für die hungrigen Spatzen vor dem Fenster zusammen. Und wenn im Sommer die Schwalben ihre Nester unter den Dachvorsprung klebten, zeigte er uns die Vögel, wie sie mit hellen Schreien hin und her flogen. Aber seine Augen blieben immer betrübt.
Im Städtchen sagten sie, Herr Sörensen sei ein wohlhabender Mann. "Nicht wahr, Herr Sörensen hat Geld?" fragte ich einmal meine Mutter. "Ja, man sagt's." - "Ja ... ich hab' ihn einmal weinen sehen, in der Pause, als ich mein Butterbrot holen wollte ..."
"Herr Sörensen ist vielleicht so betrübt, weil er so allein ist", sagte meine Mutter. "Hat er denn keine Geschwister?" fragte ich. "Nein - er ist ganz allein auf der Welt..."
Als dann Weihnachten da war, sandte mich meine Mutter mit Weihnachtsbäckereien zu Herrn Sörensen. Wie gut ich mich daran erinnere. Unser Stubenmädchen ging mit, und wir trugen ein großes Paket, mit rosa Band gebunden, wie die Mutter stets ihre Weihnachtspäckchen schmückte.
Die Treppe von Herrn Sörensen war schneeweiß gefegt. Ich getraute mich kaum einzutreten, so rein war der weiße Boden. Das Stubenmädchen überbrachte die Grüße meiner Mutter. Ich sah mich um. Ein schmaler hoher Spiegel war da, und rings um ihn, in schmalen Rahmen, lauter schwarz geschnittene Profile, wie ich sie nie vorher gesehen hatte.
Herr Sörensen zog mich ins Zimmer hinein und fragte mich, ob ich mich auf Weihnachten freue. Ich nickte. "Und wo wird Ihr Weihnachtsbaum stehen, Herr Sörensen?" - "Ich? Ich habe keinen, ich bleibe zu Hause."
Und da schlug mir etwas aufs Herz beim Gedanken an Weihnachten in diesem "Zuhause". - In dieser Stube mit den schwarzen kleinen Bildern, den schweigenden Büchern und dem alten Sofa, auf dem nie ein Mensch saß - ich fühlte das Trostlose, das Verlassene in dieser einsamen Stube, und ich schlug den Arm vors Gesicht und weinte.
Herr Sörensen zog mich auf seine Knie und drückte sein Gesicht an meines. er sagte leise: "Du bist ein guter, kleiner Bub." Und ich drückte mich noch fester an ihn und weinte herzzerbrechend.
Als wir heimkamen, erzählte das Stubenmädchen meiner Mutter, ich hätte gebrüllt.
Aber ich schüttelte den Kopf und sagte: "Nein, ich habe nicht gebrüllt. Ich habe geweint. Und weißt du, ich habe deshalb geweint, weil nie jemand zu Herrn Sörensen kommt. Nicht einmal am Heiligen Abend..."
Später, als wir in eine andere Stadt zogen, verschwand Herr Sörensen aus meinem Leben. Ich hörte nie mehr etwas von ihm. Aber an jenem Tag, als ich an seiner Schulter weinte, fühlte ich, ohne es zu verstehen, zum ersten Male, dass es Menschen gibt, die einsam sind. Und dass es besonders schwer ist, allein und einsam zu sein an Weihnachten.
Dienstag, 13. Dezember 2005
Falsche Liebe
Falsche Liebe
Grosse Liebe macht oft blind
betrifft auch Wünsche von den Kleinen
zur Weihnacht wünscht sich jedes Kind
den treuen Partner auf vier Beinen.
Versprechen immer aufzupassen
ihn auszuführen, Futter geben
nicht alles stehn und liegen lassen
was wär das für ein schönes Leben.
Doch kaum ist dann der Hund im Haus
hat auf den Teppich schon gemacht
da ist die Luft dann ganz schnell raus
das wurde nicht bedacht.
Ein Tier vom Anfang bis zum Ende
braucht sehr viel Liebe wie ein Kind
ist kein Geschenk für Kinderhände
denn falsche Liebe macht oft blind.
 © Heinz BornemannÂ
Sonntag, 11. Dezember 2005
Tannengeflüster
Tannengeflüster
Wenn die ersten Fröste knistern,
In dem Wald bei Bayrisch-Moos,
Geht ein Wispern und ein Flüstern
In den Tannenbäumen los,
Ein Gekicher und Gesumm ringsherum.
Eine Tanne lernt Gedichte,
Eine Lärche hört ihr zu.
Eine dicke, alte Fichte
Sagt verdrießlich: "Gebt doch Ruh!
Kerzenlicht und Weihnachtszeit
Sind noch weit!"
Vierundzwanzig lange Tage
Wird gekräuselt und gestutzt
Und das Wäldchen ohne Frage
Wunderhübsch herausgeputzt.
Wer noch fragt: "Wieso? Warum?!
Der ist dumm.
Was das Flüstern hier bedeutet,
Weiß man selbst im Spatzennest:
Jeder Tannenbaum bereitet
Sich nun vor aufs Weihnachtsfest,
Denn ein Weihnachtsbaum zu sein:
Das ist fein!
[James Krüss]
Montag, 5. Dezember 2005
Geschenke
Ein Geschenk ist genau so viel wert wie die Liebe, mit der es ausgesucht wurde.
Thyde Monnier (1887-1967)
Samstag, 3. Dezember 2005
Zitat vom Lesen
Wie wenig Du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist.
Elias Canetti / 1905-1994/ Nobelpreis für Literatur 1981
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