Sonntag, 20. November 2005
Winterbazar
Wie in jedem Jahr am Totensonntag macht das Altenheim Haunerfeld in Gelsenkirchen einen Adventsbasar. Heute wurde er umgetauft in Winterbasar. Die alten Leute warten auch wie in jedem Jahr gespannt und mit Freude auf diesen Tag. Wochen vorher erkundigen sie sich auch immer danach, ob die "Kleine" auch wieder kommt. Gemeint ist damit meine Frau, die von Statur recht zierlich ist....smile, und für sie ist es auch immer wieder ein Freude und auch gegenüber den Bewohner eine Art Verpflichtung, sie nicht zu enttäuschen und mit ihren selbstgefertigten Dingen, ob groß oder klein, irgendwie auch ein Gefühl der Vorweihnachtszeit zu geben. Und so reicht die Produktpalette von selbstgemachtem Marzipan, Gebäck, Türkränzen, Adventsgestecken in den unterschiedlichsten Variationen bis hin zu Lavendelbeuteln oder Zimtstangen etc. zum selber basteln.
Ich bin immer wieder beeindruckt von den alten Menschen mit welcher Liebe, Güte und Freude sie sich diesen Basar, an dem auch noch andere Aussteller mit handwerklichen Erzeugnissen teilnehmen, anschauen. Ich glaube manche sind richtig verzückt und scheinen von früheren, vielleicht besseren Zeiten zu träumen.
Träumen
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind,
da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Diamantenstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Rainer Maria Rilke
Da musste ich doch tatsächlich im Duden nachschauen. Schreib man denn Bazar mit "s" oder mit mit "z"? Beides ist möglich, machmal findet man vor lauter Basars den Bazar nicht...smile. Ich wünsche Euch natürlich noch einen angenehmen Restsonntag und bleibt uns gewogen.
Donnerstag, 17. November 2005
Anderes Maß?
Da traute ich meinen Augen kaum. Nach dem gestrigen Spiel Tschechien gegen Norwegen sehe ich nach dem Abpfiff einen ausgelassenen Jan Koller mit Gehilfen auf den Platz stürmen, um zusammen mit seinen Kameraden das WM-Ticket nach Deutschland zu feiern. Koller, der an einem Kreuzbandriss laboriert, war extra nach Tschechien angereist, um seinen Kollegen und der Mannschaft moralische Unterstützung zu geben. Nun hüpfte und tanzte er mit den Spielern am Mittelkreis und streckte auch seine "Krücken" im Siegestaumel in den Abendhimmel. Ich habe mich mit meinem Leidensgenossen mitgefreut, fragte mich aber, ob sein Arbeitgeber und seine Kollegen von Borussia Dortmund keine Einwände dagegen hatten oder gar Neid zeigten, dass er seine Reha unterbrochen hat und extra zu diesem Playoff-Rückspiel nach Prag gereist ist...und vor allem, dass er sich so ausgelassen freut?!
Es scheint, dass Menschen wohl offensichtlich mit zweierlei Maß messen. In der normalen Arbeitswelt soll es dann doch Leute geben, die glauben, dass man bei solchen Auftritten die Kollegen versucht, durch seine Freude doch eifersüchtig zu machen und auch den Anschein erweckt, mein sei vielleicht gar nicht so gehandicapt. [zur Erinnerung siehe hier und hier] Wie auch immer …
Mich erreichte die Tage ein Brief des Erler Kinderheims …
Lieber Herr P.,
in Zusammenhang mit dem Erler Kartoffelfest 2004 hat durch den Kräuter-Express und den Köcheclub eine wertvolle Beziehung zu den Kindern unserer Einrichtung begonnen, die beim Event in diesem Herbst fortgesetzt wurde.
Konnten Sie auch leider aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst aktiv sein, war es für uns und unsere Kinder, die auch einen Stand auf dem Hof des Kräuter-Express betreut haben, schön zu erleben, dass Sie trotz ihrer Behinderung zu einem kurzen Besuch gekommen sind, um die Kontakte mit den Kindern weiter zu pflegen.
Wir danken Ihnen ganz herzlich für die Zuwendung und Zuverlässigkeit, die gerade für unsere Kinder besonders viel bedeutet.
Ihnen wünschen wir baldige Genesung und
verbleiben mit freundlichen Grüßen
R.-K.
Heimleiterin
…und ich schaue gerne in lachende Kinderaugen ...
Donnerstag, 10. November 2005
Gesehen: Die Konferenz – TV-Psychodrama
Neun Lehrer stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Sie haben das Schicksal eines ihrer Schüler in der Hand. Viktor Leysen, vor kurzem volljährig geworden, wird von der Mutter seiner Mitschülerin und Theaterkollegin Tizia beschuldigt, die 17-jährige nach der gemeinsamen Theaterprobe vergewaltigt zu haben. Soll der junge Mann der Schule verwiesen werden oder nicht? Diese Frage stellt sich dem Kollegium in dem Fernsehfilm "Die Konferenz", der gestern in der ARD gezeigt wurde.
Die Entscheidung fällt den Lehrern nicht leicht. Aussage steht gegen Aussage. Es bleibt aber nicht bei einer sachlichen Diskussion unter den Lehrern. Auch innerhalb des neunköpfigen Gremiums bilden sich Zerwürfnisse heraus, die in persönlichen Beichten und Anschuldigungen gipfeln. Die Nerven liegen blank. Im Laufe der Konferenz brechen alte Wunden, Differenzen, Tabus, Hass und Liebe wieder auf, die eine rationale Beurteilung fast unmöglich machen.
Letztlich geht es gar nicht mehr darum, ob die Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht, es geht nicht um die Wahrheit, sondern darum, wie jeder der Anwesenden den Vorfall für seine Sache benutzt, um die eigene Geschichte zu rechtfertigen oder zu begründen. Die leicht überspitzten Charakteren/Stereotypen und die vergiftete Atmosphäre unter den Lehrern lässt "Die Konferenz" zu einer Art Therapie für alle Beteiligten werden und zu einer sozialen Studie der "Berufsgruppe Lehrer".
Ist man am Anfang noch über die skurrilen Lehrertypen verwundert, so wandelt sich das Bild in Mitgefühl für diese überforderten "Pauker". Am Ende muss die Gesellschaft erkennen, dass Häme deplaziert ist und war und dass sie von diesem Berufsstand allzu häufig erwartet, dass er all ihre Probleme lösen kann.
Eindrucksvolle Inszenierung von Tatort Regisseur Niki Stein mit Senta Berger als konfliktscheue und entscheidungsschwache Schulleiterin Cordes, die das schwierige Geschäft zu einem halbwegs befriedigenden Ende führt; Nina Petri Kahle Zenk mit dem Spitznamen KZ, deren Mann gerade eine Liaison mit einer Referendarin hat und die deshalb extrem unter Druck steht und ihre Kinderbetreuungsproblemen per Handy lösen muss; Jan-Gregor Kremp als C. Pirsich, der beflissentlich über das Paarungsverhaltung der Solitärbiene referiert; Rudolph Kowalski als Leo Stern, der die schönen Dinge des Lebens und die Frauen zu schätzen weiß, Sophie von Kessel Leiterin des Schultheaters und Günter Maria Halmar, der kettenrauchende Holger Stubenrauch, der am Ende ein beeindruckendes Plädoyer über die Erziehungsaufgaben einer freiheitlichen Schule liefert.
Realititätsfremd ist jedoch die Tatsache, dass eine Klassenkonferenz über Schuld und Sühne eines Schülers nach Aufforderung der Mutter des angeblichen Opfers verhandelt ohne die Ergebnisse einer polizeilichen oder staatsanwaltlichen Ermittlung in einer möglichen Straftat abzuwarten. Nebulös erscheint dem Zuschauer auch, dass die Tat nicht zur Anzeige gekommen ist, statt dessen aber dem erpresserischen Ersuchen der betroffenen Mutter stattgegeben wird. Aber vielleicht ist das die künstlerische Freiheit des Drehbuchautors.
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